27.04.2023
Wie das Hochtechnologieunternehmen durch Quantencomputing die fertigende Industrie verbessern will.
In mittelständisch geprägten Branchen wie der Metallverarbeitung spielt der Faktor Mensch in der Produktionsplanung oft noch eine große Rolle. Gemeinsam mit QUTAC sucht der Werkzeugmaschinen- und Lastertechnikhersteller TRUMPF nach Wegen, die Industrie mithilfe Quantencomputing-gestützter Anwendungen effizienter zu machen.
2021 arbeiteten in den Branchen Metallerzeugung und -bearbeitung sowie der Herstellung von Metallerzeugnissen über 900.000 Beschäftigte und erwirtschafteten einen Umsatz von über 240 Milliarden Euro. Damit gehören sie zu den wichtigsten Industriezweigen Deutschlands. Damit die Branchen ihre Stellung im In- und Ausland weiter ausbauen können, müssen sie sich kontinuierlich weiterentwickeln. Das bedeutet vor allem: effizienter werden. Das ist nicht immer einfach in einem Bereich, der von kleinen und mittelständischen Unternehmen geprägt ist. Deshalb versteht sich TRUMPF als Partner der Industrie, der Betrieben Digitalisierungslösungen zugänglich macht, die sonst außerhalb ihrer Möglichkeiten lägen. Das Hochtechnologieunternehmen bietet diese Lösungen in den Bereichen Werkzeugmaschinen und Lasertechnik und treibt durch Beratung und Plattform- und Softwareangebote die digitale Vernetzung der fertigenden Industrie voran.
Nesting und Scheduling in der Blechfertigung: Der Faktor Mensch
„Gerade in der Blechfertigung, in der unsere Maschinen häufig zum Einsatz kommen, gibt es noch viel Potenzial zur Optimierung“, sagt Frederick Struckmeier, Leiter Anwendungen des Quantencomputing bei TRUMPF. Eine besondere Herausforderung sei das „Nesting“ beim Herausschneiden unterschiedlicher Teile aus einer Blechtafel, erklärt er. „Nesting bedeutet, die Teile aus der Blechtafel so herauszuschneiden, dass der Platz auf einer Tafel ideal ausgenutzt und kein Material verschwendet wird.“
Bislang funktioniere dieses Verschachteln von Teilen noch oft von Hand. „Der Faktor Mensch spielt beim Nesting weiterhin eine wichtige Rolle“, so Struckmeier: „In vielen Betrieben sind es erfahrene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die durch über Jahre gesammelte Expertise, Intuition und Tricks den Platz auf jedem Blech so gut wie möglich ausnutzen.“ Es sei beeindruckend, wie ökonomisch sie dabei in vielen Fällen vorgingen, sagt er. Doch solche erfahrenen Mitarbeiter gebe es nicht in jedem Unternehmen. Und ein wirklich optimales Ergebnis könnten auch die besten von ihnen nicht erreichen. Struckmeier ist sich sicher: „Wenn die Branche als Ganzes besser werden soll, müssen wir die menschliche Arbeit noch mehr durch Computer unterstützen.“
Quantencomputing verspricht Effizienzgewinne
Eine weitere Herausforderung liege zudem vollständig außerhalb der Möglichkeiten konventioneller Computer: das „Scheduling“, also die Aufstellung eines idealen Zeitplans für die Fertigung. Hierbei spielen verschiedene Fragen eine Rolle, so Struckmeier: „Wie dringend ist ein Auftrag? Welche Maschinen sind wann ausgelastet? Welche Blechdicke benötigt der Kunde?“
Allein um einen optimalen Produktionsplan für wenige Werktage aufzustellen, müssten klassische Computer mindestens genauso lange rechnen. Deshalb setzen Struckmeier und sein Team auf Quantencomputer. Ihre besonderen Eigenschaften könnten es womöglich bald erlauben, Tätigkeiten wie Nesting und Scheduling weitgehend zu automatisieren. Dabei legt er Wert darauf, die Potenziale, aber auch die Grenzen der neuen Technologie offen zu benennen. Denn „um es klar zu sagen: Einige Probleme werden auch für Quantencomputer zu komplex bleiben, um sie in ökonomisch und in einem sinnvollen Zeitraum zu lösen.“ Bei Problemen, deren Rechenzeit im Verhältnis zu ihrer Komplexität nicht polynomiell, also stärker als eine Polynomfunktion wachse, relativierten sich die Leistungsunterschiede zwischen konventionellen und Quantencomputern. „Aber: Es gibt ein Fenster.“, erklärt Struckmeier. „Schon wenn es uns gelingt, um den Faktor Tausend schneller zu werden bedeutet das für die Industrie einen großen Sprung. Es macht einen enormen Unterschied, ob eine Berechnung vier Wochen oder nur vierzig Minuten dauert.“
QUTAC: Gemeinsam den Industriestandort Deutschland stärken
Derzeit arbeitet TRUMPF daran, Quantencomputing-basierte Anwendungen zur Lösung von Nesting- und Scheduling-Problemen zu entwickeln. Ein wichtiger Schritt stellt dabei auch die Mitgliedschaft bei QUTAC dar, dem das Unternehmen im Januar 2023 beigetreten ist. Struckmeier erklärt den Vorteil der Kooperation so: „Viele Mitglieder des Konsortiums arbeiten an ganz ähnlichen Use Cases. Probleme formen sich je nach Branche anders aus, doch die darunterliegende Mathematik ist dieselbe.“ Deshalb sei es sinnvoll, sich auszutauschen. „Oft werden in der Theorie verschiedene Ansätze und Lösungsmöglichkeiten diskutiert. In der Praxis müssen sie sich als einzelnes Unternehmen entscheiden, in welchen davon sie ihre Ressourcen investieren wollen – mit dem vollen Risiko, am Ende falsch gelegen zu haben.“ Diese Gefahr werde durch das Konsortium minimiert: „Die Zusammenarbeit erlaubt es uns, unterschiedliche Wege zu gehen und doch alle gemeinsam am gleichen Strang zu ziehen. So profitiert am Ende jeder von uns.“ Was wichtig sei, so Struckmeier: „Jeder Fortschritt durch QUTAC ist auch ein Gewinn für die Industrie.“